4. März 2015

Strampeln im Nichts-Meer

Der April ist die beste Zeit für eine Radtour von Berlin nach Usedom

Von Jörn Boewe, junge Welt, Reisebeilage 4. März 2015

Wenn die Luft noch kalt ist, aber die Sonne schon Kraft hat, ist es eine gute Idee, ans Mittelmeer zu fliegen. Noch schlauer ist es indessen, antizyklisch an die Ostsee zu reisen, die ja eine Art »Mittelmeer des Nordens« ist. Die Saison liegt in weiter Ferne, es nervt keine Touristenanimation, und die Preise sind moderat.


Usedom, die »Badewanne der Berliner«, erreicht man von der Hauptstadt aus mit dem Regionalexpress in dreieinhalb Stunden. Wenn Sie ein bisschen mehr Zeit haben, schwingen Sie sich aufs Rad. Amtlicher Startpunkt des Fernradwegs Berlin–Usedom ist der Schlossplatz auf der Berliner Spreeinsel, den wir an dieser Stelle mit Vergnügen noch Marx-Engels-Platz nennen. Wer die Stadt schnell verlassen möchte, nimmt die S-Bahn nach Bernau. Von dort geht’s auf einer asphaltierten autofreien Piste quer durch die dichten Wälder von Barnim und Schorfheide in die Uckermark.



Pensionen und Campingplätze findet man leicht über die einschlägigen Internetseiten. Auf halber Strecke gut übernachten kann man etwa im Forsthaus Görlsdorf oder in der Alten Schule Stegelitz. Wer ab Mitte April startet, fährt in der Uckermark durch ein gelbes Hügelmeer, denn dann beginnt die Rapsblüte.


Leider rollt es sich hinter Prenzlau nicht mehr besonders gut, ganze Streckenabschnitte bestehen nur noch aus losem Sand. Es zieht sich hin, aber irgendwann hat man den Landstrich durchquert, der bis vor einem Vierteljahrhundert bei Angehörigen der NVA-Landstreitkräfte als »Land der drei Meere« bekannt war (»Waldmeer, Sandmeer, nichts mehr«) und erreicht Ueckermünde am Oderhaff. Die Stadt ist schön, besonders rund um das Alte Bollwerk am Hafen. Der richtige Ort, Station zu machen und erst am nächsten Tag aufzubrechen, um auf die Insel überzusetzen.


Die Reederei Peters betreibt eine Fähre von Ueckermünde nach Kamminke, das ein paar Kilometer südlich von Heringsdorf an der polnischen Grenze liegt. Die Fahrt dauert eine Stunde und zwanzig Minuten und ist ein tolles Erlebnis, denn das Oderhaff ist die zweitgrößte Lagune der Ostsee nach der Kurischen Nehrung. Da der Fährverkehr bei Niedrigwasser eingestellt wird, ist es ratsam, vorher einen Blick auf die Internetseite zu werfen.


Unabhängig vom Wasserstand verkehrt die Fähre vom Kamper Hafen an der alten Karniner Eisenbahnbrücke, von der seit ihrer Sprengung in den letzten Kriegswochen 1945 nur noch der imposante Mittelabschnitt übrig ist. Der Fährbetrieb beginnt hier ab 1. April. Übergesetzt wird nur auf telefonische Anfrage, die Nummer steht am Anleger. Man muss ein bisschen warten, bis jemand kommt. Aber fürs Warten ist das hier ein guter Ort.

www.berlin-­usedom-radweg.net